Laponia N67 Triathlon - Langdistanz nördlich vom Polarkreis

Ein Langdistanztriathlon im schwedischen Lappland, 70 Kilometer nördlich vom Polarkreis. Startzeit um Mitternacht, denn es ist ja die ganze Nacht hell. Maximal 100 Teilnehmer. Eine davon ist Denise Kottwitz, eine Berliner Triathletin. Sie hat sich auf das Abenteuer Laponia N67 Triathlon begeben: ein Rennbericht der ganz besonderen Art.

Die Vorbereitung

Ich weiß nicht, wie oft ich die Seite laponiatriathlon.com öffne und wieder schließe: zu weit weg, zu hart, zu kalt, zu einsam. Aber die Bilder des Rennens und der ein oder andere Bericht im Internet fesseln mich, selbst die Horrorgeschichten aus dem Jahr 2019 schrecken mich nicht endgültig ab. Nach verkürztem Schwimmen hat es die ganze Nacht bei drei Grad geregnet und selbst der Lauf musste damals wegen schlechtem Wetter verkürzt werden. Vermutlich ist es mein optimistisches Naturell, das auf machbare Wetterbedingungen hofft und so melde ich mich an. Die etwa 240 Euro Startgebühr ist eher ein Schnäppchen, dafür muss in die Anreise etwas mehr investiert werden. Obwohl für uns der Grund der Reise eigentlich ein Urlaub in Nordschweden ist und der Triathlon nur der Anlass.

Die Vorbereitung unterscheidet sich nicht groß von einer anderen Langdistanz, außer dass ich in den kalten Monaten freiwillig bei fünf Grad aufs Rad steige. Bei den langen Läufen oder einigen Koppeleinheiten geht es öfter mal auf lose Waldwege. Wettkampfverpflegung wird von einem schwedischen Anbieter gestellt. Mit erhöhtem Aufwand kann ich aber auch diese zum Training besorgen, und stelle beruhigt fest, dass ich Getränk und Gele vertrage und sogar mag. Die Riegel sind furchtbar süß, aber da kann man ja auf dem Rad seine eigenen mitnehmen.

Die Anreise

Anreise kommt für uns nur mit dem eigenen Auto in Frage, denn ich nehme alles mit. Winterradschuhe und normale, dicke und dünne Überschuhe, Regenüberschuhe und für die Zehen, dicke Socken und dünne, Regenjacke, Winterjacke, dünnere Jacke, Weste, Kurzarmshirt, Ärmellos, Unterhemden, Regenhose, kurze Hose, Winterhose – wie gesagt, ich nehme alles mit. Wir finden aber eine sehr bequeme Anreise: mit der Fähre von Travemünde nach Helsinki (der Seetag ist sehr entspannend und ein Laufband für eine kleine Einheit steht zur Verfügung) und anschließend mit dem Auto-Nachtzug nach Rovaniemi am Polarkreis. Nach einem kleinen Abstecher beim Weihnachtsmann sind es noch gut 300 Kilometer Fahrt bis zum Wettkampfort Gällivare.

Wir sind schon vier Tage vor dem Rennen vor Ort. So kann ich noch mal einen Teil der Radstrecke abfahren, die Laufstrecke erkunden (die Wahl fällt auf Trailschuhe), die lokale Schwimmhalle kennenlernen und mich an die klimatischen Verhältnisse gewöhnen. Klingt lustig, aber ich bin überrascht, wie warm es ist, wenn die Polarsonne scheint: da kann man locker bei 16 Grad in kurzen Hosen spazieren. Am Donnerstagabend wird ein Sprinttriathlon ausgetragen. Da fahren wir zuschauen: das Wasser hat fast 19 Grad (in den letzten zwei Wochen war es in Lappland bis zu dreißig Grad warm) aber es fegt ein kräftiger Wind. Organisation vor Ort wirkt sehr professionell, die Leute sind sehr entspannt. Ich auch: das Schwimmen wird definitiv auf voller Länge stattfinden und die Wettervorhersage hat kein Tropfen Regen, nein sogar die ganze Nacht Sonnenschein bei etwa acht Grad.

Es wird ernst

Freitagmittag kann man die Startunterlagen abholen. Der Umschlag enthält die obligatorischen Nummern, Wechselbeutel und Badekappe. Dazu kann man einen von lokalen Künstlern gestalteten Stoffbeutel nehmen und diesen nach Bedarf füllen: ich nehme ein Gedichtsband einer lokalen Schriftstellerin, ein Halstuch und natürlich das angebotene Mückenmittel. Im Anschluss ist gleich die Wettkampfbesprechung: gemeldet sind 29 Männer und 9 Frauen. Die Präsentation lässt keine Fragen offen. Ich bin überrascht, dass so ein kleines Rennen sogar einen Athlete Tracker anbietet. Beim Schwimmen werden es wohl nur 16 Grad (eine kalte Strömung und Wind seit dem gestrigen Sprinttriathlon), aber es sind Neoprenschuhe erlaubt. Beim Radfahren wird mehrfach darauf hingewiesen, dass es sicher kälter wird als man denkt. Das macht mir auch Kopfzerbrechen: einerseits wird man in den Anstiegen ganz schön ins Schwitzen kommen, andererseits macht sich der fehlende Schlaf sicher bemerkbar.

In 12 Stunden geht es los

Ich bleibe bei meinem Plan: Unterhemd, Radjacke, Knielinge (die bei meinen kurzen Beinen eher das ganze Bein bedecken), dicke Socken, Schuhe mit Zehenschutz. Zur Sicherheit nehme ich noch Wärmepads für Zehen und Hände mit, die nehmen nicht viel Platz weg. Außerdem gibt es den Hinweis, dass wenig Wind aber dafür viele Mücken zu erwarten sind. Mückenmittel gibt es an allen Versorgungsstationen. Es wird auch auf die Rentiere hingewiesen, die gern mitten auf der Straße stehen und nicht Platz machen – man sollte also ab und zu den Kopf aus der Aeroposition heben. Dann gibt es noch einen netten Austausch mit den erfahrenen Teilnehmern, z.B. dass man für den Lauf nur eine Windjacke braucht, wenn man vermutlich nicht mehr im Laufschritt unterwegs ist. Toiletten gibt es auf der gesamten Strecke nur drei, aber es wird angemerkt, dass es kein Problem sein sollte ein privates Plätzchen zu finden. Ich interpretiere: lieber ein Tempotaschentuch mehr einstecken, obwohl ich glücklicherweise nie mit Magenproblemen zu kämpfen habe. Im Anschluss an die Besprechung gibt es noch einen kleinen Mittagsimbiss, mir ist das aber zwölf Stunden vor dem Rennen zu heikel etwas Unbekanntes zu Essen. Ich unterhalte mich noch kurz mit Daniel, einem deutschen Wiederholungstäter im Rennen und dann geht es zum Entspannen nach Hause.

Der letzte Check

Ich zwinge mich für etwa vier Stunden ins Bett, nicke sogar kurz ein. Aber die Zeit zum Abend will nicht vergehen. Die Wechselbeutel packe ich innerhalb von Sekunden. Gegen zwanzig Uhr nehme ich mein Wettkampffrühstück mit zwei Kaffee. Ein Film soll noch etwas die Zeit vertreiben, aber dafür bin ich zu aufgeregt. Endlich springt die Uhr auf 22.00, endlich anziehen, endlich Sachen ins Auto packen, endlich geht es zum Start. Einchecken geht auch sehr schnell bei der geringen Teilnehmerzahl. Mein Rad wird auf Herz und Nieren geprüft, also nicht nur kurz geschaut ob die Bremsen greifen. Der Wettkampfrichter schmeißt sich voller Wucht auf den Lenker und Sattel. Ich frage mich: wie knifflig wird die Strecke, v.a. die Abfahrten? Denn so ein Check ist mir bisher noch nicht vorgekommen, auch bei vielen schwedischen Rennen nicht.

Es geht los!

Wir setzen uns nach dem Check-in noch etwas ins Auto: die Temperaturen draußen um die zehn Grad, aber die Mücken sind kaum auszuhalten. Dann geht es doch ruck zuck: die Beutel fertig machen. Vor allem eine heiße Flasche Tee in ein Handtuch einwickeln. Das wird die erste Verpflegung auf dem Rad. Dann rein in den Neo, Kappe auf und Schuhe an. Kurzes Einschwimmen: Temperatur empfinde ich machbar.

0.00 Uhr, die Sonne steht hinter dem Berg und noch sind ein paar Wolken am Himmel. Der Startschuss fällt, 7 Frauen und 22 Männer stürzen sich final in die Fluten. Es geht lang und flach rein, der Untergrund ist sehr schlammig. Ich bin froh über die Neoschuhe. Während die größeren Männer um mich rum noch im Laufschritt unterwegs sind, muss ich Delfinsprünge anwenden, um mitzuhalten. Ich lande gleich in einer kleinen Vierergruppe an dritter Position, besser hätte ich es nicht treffen können. Tempo finde ich ziemlich anstrengend, komme kurz ins Grübeln, ob es nicht zu hoch ist. Aber auf dem Weg zurück zum Ufer spiegelt sich die Sonne unter der Oberfläche, so dass mich die Faszination über dieses Lichtspiel ablenkt. Der Landgang ist heftig anstrengend.

Der führende unserer Gruppe geht auch wieder als erstes ins Wasser, ich kann kaum den Anschluss halten auf der Flachwasserpassage. Ich schwimme schon wieder, da steht er noch mal auf und macht drei Schritte und prompt ist er weg. Die beiden anderen sind nach hinten weggebrochen. Ich habe nur eine Chance – ich muss an meinen Vordermann wieder ran, sonst wird der zweite Teil sehr mühsam. Es wird ein ziemlicher Kampf und erst auf der sonnenverwöhnten Heimgrade gelingt mir der Zusammenschluss. Dann der zweite Landgang: mein Mann bestätigt weiterhin die Führung bei den Frauen, aber ich habe nur ein Ziel: Runde drei im Wasserschatten. Ich verliere den anderen Athleten nicht aus den Augen, kämpfe bis auch er ins Schwimmen übergeht. Geschafft, ich muss die dritte Runde nicht allein verbringen. Auf der Heimgeraden sammeln wir noch einen Schwimmer ein, den späteren Gewinner des Männerrennens, und so geht es wieder an Land. Hier werden wir laut jubelnd von den Helfern und Unterstützern der Teilnehmer empfangen. Meine Uhr zeigt fast 4100 Meter, also sind wir tatsächlich etwa 3,8 km geschwommen und haben den langen Landgang noch draufgelegt.

Ab aufs Rad

Wechseln geht trotz der vielen Kleidung gut, Handschuhe will ich erst auf dem Rad anziehen, wenn die Hände wieder richtig trocken sind. Der erste Kilometer ist ein geschotteter Radweg, der sich aber ganz gut fährt, außer dass mir doch ziemlich kalt ist. Auf festem Asphalt ziehe ich die Handschuhe an und gönne mir den warmen Tee. Es geht auf der Durchgangsstraße durch den Ort, die in eine vierspurige Schnellstraße mündet. Es herrscht Totenstille, die Sonne steht am Himmel scheint allerdings nicht auf uns Athleten. Es ist kalt, aber ich finde es machbar mit der Aussicht, dass es gleich bergauf geht. Außerdem ist das Sausen über die leere Schnellstraße total irre. Mich überholt ein Athlet, an einer Kreuzung jubelt der Streckenposten „Schönes Fahrrad!“. Wieder ein Stück Schnellstraße für mich allein, ich muss mir jedoch eingestehen: für das Tempo habe ich doch zu wenig angezogen. Der erwartete Anstieg kommt, acht Kilometer geht es über Steigungen von zwei bis sieben Prozent nach oben. Mit Blick auf die Wattwerte komme ich ganz gut hoch, warm wird mir allerdings nicht. Jedoch werde ich immer wieder mit fantastischen Ausblicken abgelenkt. Am Ende vom Anstieg stehen ein paar jubelnde Fans (vermutlich Supporter einiger Teilnehmer) und jemand hat sich die Mühe gemacht alle Namen auf die Straße zu malen. Oben angekommen geht es in lustigen Wellen bergab und wieder bergauf weiter. Rechts liegt ein See, in dem sich der angrenzende Berg im Sonnenlicht spiegelt. Was für ein Naturschauspiel, ich vergesse das Frieren wieder.

Nach 35 Kilometer kommt die Wende mit einer Versorgungsstation. Durch die doch kalten Finger kann ich eine neue Getränkeflasche nicht aufnehmen, sie fällt runter und ich muss kurz halten. Dafür gibts wärmende Worte der Helfer. Zurück durch das Dorf Tjautjas. Unglaublich, hier steht eine Familie jubelnd am Gartenzaun. Nachts um 02.30 Uhr wegen weniger als dreißig verrückten Triathleten. Dann geht es bergab. Mich überholt eine Frau, sie ruft mir irgendwas zu und hat ein Tempo drauf, was ich noch nicht mal im Ansatz mitgehen könnte. Für mich steht noch mal der atemberaubende Blick über den See auf dem Programm und dann volle Konzentration auf die abwärtsführende Straße, die nicht wenige Unebenheiten aufweist. Technisch meistere ich alles gut, aber ich friere wie ein Schneider. Nach dem Rennen erfahre ich, dass die Temperatur doch auf fünf Grad gefallen ist.

Endlich wird es wärmer

Zurück in Gällivare sind die ersten 70 Kilometer mit etwa 500 Höhenmetern gemeistert. Jetzt setzt sich endlich die Sonne auch über mir durch. Ich mache mir dennoch Gedanken, wie lange es nun dauert wieder warm zu werden und vor allem wieviel Energie mich das ganze kostet. Am Ende der Ortschaft fälle ich die Entscheidung: anhalten, Pinkelpause und Wärmepads in Schuhe und Handschuhe. Während des Stopps überholt mich keiner, ich fange mir lediglich 10 Mückenstiche ein. Alles Wert, denn mit der Sonne am Himmel komme ich wieder auf Betriebstemperatur und der flachere Teil der Strecke – 55 km bis Nattavara und zurück mit insgesamt weiteren 600 Höhenmetern – kann kommen.

Weiter geht's

Rechts und links weiterhin Bilderbuchpanorama mit kleinen Seen und viel Wald. Es rollt ganz gut, dann kommen wieder kleine Anstiege, die man aber nicht sieht und sich immer wieder fragt, warum man plötzlich so kämpfen muss. Eine weitere Versorgungsstation bei Wegpunkt 82 km bringt Abwechslung, denn sonst bin ich allein unterwegs. Irgendwann denke ich „Was kommt denn da?“. Ach ja, drei Häuser. Häuser habe ich eine Weile schon nicht gesehen.

Ich freue mich als mir kurz vor Nattavaara die Führenden des Rennens entgegen kommen. Im Ort selbst sind es noch ein paar Fahrer, aber nicht alle, denn auf dem Rückweg gibt es noch eine kleine Schleife von etwa drei Kilometern. Schade, so kann ich nicht die Frau vor mir ausmachen und auch nicht die Verfolgerinnen. Es gibt noch eine Versorgungstation, ich nehme Getränke auf und freue mich über die angebotene Zimtschnecke. In der Wendeschleife geht es noch mal fies bergan. Ich verfluche den Veranstalter: mir fehlt der Überblick im Feld und muss zu allem Überfluss noch aus dem Sattel gehen. Die Kuppe ist bewältigt, durchatmen und genießen!!! Wenn man die schönste Fotografie Lapplands nimmt, liegt die Szenerie mir gerade zu Füßen: Sonne, See, Bäume. Moor, im Hintergrund Berge. Ich nehme sofort alle Vorwürfe zurück.

Zurück gehts auch auf dem Rad. Ich werde dann noch von einem Athleten überholt, verliere ihn auch bald aus den Augen. Mittlerweile ist es doch recht warm, ich entnehme die Wärmepads aus den Handschuhen und lasse an die Beine etwas Luft.

Noch etwa 30 Kilometer, der Gipfel des Dundrets, Höhepunkt des Marathons im wahrsten Sinne des Wortes, wird immer klarer. Ich mag ans Laufen noch nicht denken, denn mittlerweile habe ich ganz schön zu kämpfen. Spätestens an diesem Zeitpunkt fehlen mir doch einige Konkurrenten und jubelnde Zuschauer. Allerdings kommt mir auch erst jetzt in den Sinn, dass der fehlende Schlaf und der Kampf mit der Kälte doch mehr Energie gekostet haben als bisher vermutet. Jammern hilft nicht, treten schon. Wie gerufen kommt doch noch Abwechslung: zwei Rentiere vor mir auf der Straße. Auf der linken Fahrspur die Mama, auf dem rechten Rand das Junge. Also in der Mitte durchfahren ist wohl keine gute Idee. Die Rentiere wundern sich bestimmt auch über meine komische Gestalt und verlassen die Fahrbahn, schauen aber weiter interessiert zu wie ich vorbeifahre.


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Ab in die Wechselzone

Zurück in Gällivare begrüßt mich ein gut gelaunter Streckenposten, über den Radweg geht es in die Wechselzone. Ich begegne zwei Athleten beim Laufen, und werde dann in der Wechselzone als führende Frau begrüßt. Oh, vermutlich hat mir die Athletin in der Nacht zugerufen, dass sie das Rennen abbrechen wird. Diese Erkenntnis beflügelt beim Wechsel, routiniert geht es los. Der erste Kilometer ist flach, mir wird sofort klar, dass ich doch zu hart Rad gefahren bin. Die Oberschenkel schmerzen, ich muss mich überhaupt nicht bremsen damit ich nicht zu schnell loslaufe. Aber das umfangreiche Athletiktraining macht sich bemerkbar, ich kann mich problemlos aufrecht halten und doch irgendwie einen Fuß vor den anderen setzten. Tempo spielt eh keine Rolle mehr, denn es geht bergauf.

41 Minuten Vorsprung

Die erste Versorgung gibt es bei knapp fünf Kilometer. Hier wartet mein Mann auf mich, er macht ein Video für die Heimat und läuft ein paar Meter mit: ich habe auf die zweite Frau 41 Minuten Vorsprung! Das ist mal eine Hausnummer, also war das Radfahren zwar etwas zu hart, aber wenn hinter mir keine Spitzenläuferin unterwegs ist, sollte ich auch mit müden Beinen durchkommen. Sehr viel Optimismus, wenn einem noch 37 Laufkilometer mit nicht unerheblichen 700 weiteren Höhenmetern bevorstehen!

Die folgenden fünf Kilometer verlaufen laut Höhenprofil etwa auf einer Höhe. Haha, es geht über eine Langlaufpiste, schöne Wellen hoch und runter. Also eigentlich Wellenberge, so steil, dass ich fast auf allen vieren unterwegs bin. So muss ich das erste Mal gehen, also will ich und werde sofort von einem Schwarm Mücken angefallen. Wild um mich schlagend und einigermaßen Laufschritt haltend, erreiche ich die zweite Versorgungsstation. Hier steuere ich zuerst das Mückenmittel an, dann gibt es Verpflegung. Mein Mann gibt grünes Licht, dass die Verfolgung nicht gravierend schneller ist.

Nächste Etappe: Teerstraße bergab, ein gerades Stück Landstraße, dann geht es in den Wald. Erst ein etwas breiterer Weg. Auf schmalen Brettern sind kleine Bäche zu überqueren, da gehe ich lieber langsam drüber. Da das Athletentracking durch die manuelle Eingabe der Helferposten erfolgt, wissen die Betreuer an der folgenden Station schon über meine Führung Bescheid. Sie wollen zum Gratulieren ausholen, ich gebe aber zu Bedenken „das ist ein Marathon, da weiß man nie“. Und sofort bekräftigen die Helfer „Ja, da weiß man nie“. Wenige Meter weiter wird vom Hauptweg abgebogen. Klar durch orangene Pfeile markiert, wie übrigens bisher auf der gesamten Strecke, geht es durch eine tiefschwarze Modderpampe um gleich darauf hin im Moor zu versinken. Na super, nun ist auch noch der linke Fuß nass. Gut, dass die Temperaturen mittlerweile schon gegen zwanzig Grad gehen, so trocknet alles schnell. Dann folgt ein schöner Wanderpfad, mit kleinen und großen Steinchen, Wurzeln und was man sich so wünscht. Wenn man die Beine nur noch wenige Millimeter über den Boden gehoben bekommt, ist es eine Tortur. Ich stolpere, kann mich aber zum Glück abfangen. Diese unkontrollierte Bewegung löst einen beißenden Schmerz aus, also würde mir jemand versuchen das Bein auszureißen. Ich muss vorsichtiger sein, sage ich mir. Ich stolpere schon wieder und jemand reißt am anderen Bein. Also lieber ein paar Schritte gehen, denn wie wir gerade festgestellt haben „... da weiß man nie“. Der Wendepunkt ist ein angemalter Baum im Wald, hier wartet noch ein Streckenposten mit Kamera.

Die Hälfte ist geschafft

Auf dem Weg zurück begegnet mir meine Verfolgerin. Sie ist auch eine Frohnatur und wir bejubeln uns gegenseitig. Sara ist jetzt bei der sechsten Auflage das sechste Mal dabei, obwohl sie aus Südschweden auch eine dreitägige Anreise hat. Kurz darauf überholt mich Bernhard, der andere Deutsche im Feld, der aber in Schweden lebt. Just in dem Moment kommt uns Daniel entgegen, sehr lustig, dass wir drei Deutschen hier zeitgleich aufeinandertreffen.

Zurück auf der Straße läuft mir Bernhard mit einem „gleich haben wir die Hälfte“ davon. Puh, erst die Hälfte – bloß nicht drüber nachdenken. Denn jetzt geht es nach oben, steil nach oben. Kurzer Stopp an der Versorgung, dann wird es noch steiler. Bernhard vor mir geht, ich auch. Aber ich kann mich an den weniger steilen Passagen wieder zum Laufschritt motivieren und komme so langsam wieder an ihn heran.

Auf der steilen Bergstraße kommen immer wieder Autos vorbei. Ganz langsam und mit respektvollem Abstand. Entweder sind die Scheiben runtergekurbelt und es wird rausgebrüllt oder es wird aus dem Auto gesprungen und lauthals angefeuert. Vom Kindergartenkind bis zur Rentnerin ist alles dabei. Einmal stehen jubelnd zwei kleine Mädchen neben mir. „Bist Du auch die ganze Nacht Rad gefahren?“, fragt die eine. Ich kriege Gänsehaut und mir schießen die Tränen in die Augen. Wie hätte man besser zusammenfassen können, was man da gerade Verrücktes tut? Ich bejahe die Nachfrage des Mädchens und nehme die begeisterten Kinderaugen mit auf die nächsten Meter.

Ich komme an Bernhard vorbei, er kämpft mit seinem Magen. Schade, ich wollte ihn motivieren gemeinsame Sache zu machen. Also geht es allein weiter. An der letzten Versorgungstation vor dem Gipfel feuert mich noch mal mein Mann an, ein Gel und Getränke sind auch gerade nötig. Die drei Helfer an dieser Station haben eher einen schweigsamen Charakter, jedenfalls sagen sie keinen Mucks, egal was und in welcher Sprache ich was sage.

Auf dem Weg zurück begegnet mir meine Verfolgerin. Sie ist auch eine Frohnatur und wir bejubeln uns gegenseitig. Sara ist jetzt bei der sechsten Auflage das sechste Mal dabei, obwohl sie aus Südschweden auch eine dreitägige Anreise hat. Kurz darauf überholt mich Bernhard, der andere Deutsche im Feld, der aber in Schweden lebt. Just in dem Moment kommt uns Daniel entgegen, sehr lustig, dass wir drei Deutschen hier zeitgleich aufeinandertreffen.

Zurück auf der Straße läuft mir Bernhard mit einem „gleich haben wir die Hälfte“ davon. Puh, erst die Hälfte – bloß nicht drüber nachdenken. Denn jetzt geht es nach oben, steil nach oben. Kurzer Stopp an der Versorgung, dann wird es noch steiler. Bernhard vor mir geht, ich auch. Aber ich kann mich an den weniger steilen Passagen wieder zum Laufschritt motivieren und komme so langsam wieder an ihn heran.

Auf der steilen Bergstraße kommen immer wieder Autos vorbei. Ganz langsam und mit respektvollem Abstand. Entweder sind die Scheiben runtergekurbelt und es wird rausgebrüllt oder es wird aus dem Auto gesprungen und lauthals angefeuert. Vom Kindergartenkind bis zur Rentnerin ist alles dabei. Einmal stehen jubelnd zwei kleine Mädchen neben mir. „Bist Du auch die ganze Nacht Rad gefahren?“, fragt die eine. Ich kriege Gänsehaut und mir schießen die Tränen in die Augen. Wie hätte man besser zusammenfassen können, was man da gerade Verrücktes tut? Ich bejahe die Nachfrage des Mädchens und nehme die begeisterten Kinderaugen mit auf die nächsten Meter.

Ich komme an Bernhard vorbei, er kämpft mit seinem Magen. Schade, ich wollte ihn motivieren gemeinsame Sache zu machen. Also geht es allein weiter. An der letzten Versorgungstation vor dem Gipfel feuert mich noch mal mein Mann an, ein Gel und Getränke sind auch gerade nötig. Die drei Helfer an dieser Station haben eher einen schweigsamen Charakter, jedenfalls sagen sie keinen Mucks, egal was und in welcher Sprache ich was sage.

Es geht ins Ziel

Dann geht es auf breitem Wanderweg auf den Gipfel des Dundret. Nicht zu steil, glatter Untergrund, grandiose Aussicht auf die schneebedeckten Berge der benachbarten Nationalparks die alle zum Schutzgebiet Laponia gehören. Daher auch der Name des Triathlons, die Zahl 67 steht für den nördlichen Breitengrad, auf dem wir uns gerade befinden. Außerdem sind noch ein paar jubelnde Wanderer unterwegs, also auf der Laufstrecke ist für reichlich Stimmung gesorgt. Ich habe plötzlich Lust auf Kaffee und grübele so vor mich hin, wie man wohl „ein Königreich für eine Tasse Kaffee“ auf Schwedisch sagt. Bevor ich die Antwort gefunden habe, bin ich auf dem Gipfel und werde mit lautem Kuhglockengeläut angefeuert. Offiziell ist hier keine Versorgungsstation, aber man könnte alles haben – sogar Kaffee! Ich gebe der Versuchung nicht nach, wende und laufe wieder abwärts. Unten angekommen nehme ich ein koffeinhaltiges Gel, die drei Herren schweigen immer noch.

Meine Verfolgerin biegt gerade auf den Gipfelanstieg ab, ich habe also immer noch reichlich Vorsprung, muss also nur noch ins Ziel kommen. Mit langsamem Tempo, mehr geben die Beine nicht mehr her, aber immerhin kann ich noch laufen, geht es bergab auf dem Weg, den wir hochgelaufen sind. Hier und da ein paar Jubelschreie aus dem Auto. Ich mache mir etwas Sorgen über die hügelige Skiloipe, aber die Mücken sind verzogen und mit zwei kleineren Gehpausen an den steileren Anstiegen, meistere ich auch diesen Part.

Mein Mann gibt noch einen letzten Motivationsschub bei der letzten Versorgungsstation, nur noch knapp fünf Kilometer – quasi bergab. Aber nur quasi, denn am Horizont erkenne ich Elias, mit 18 Jahren der jüngste Teilnehmer im Feld, gehend eine kleine Anhöhe bezwingen. „Ich halte jetzt nicht mehr an“, sage ich mir. Aber dann sind es doch die letzten Kilometer eines Marathons und man ich muss ganz schön kämpfen nicht zu gehen. Ich führe mir vor Augen, wieviel Glück ich bisher hatte – vor allem mit dem Wetter. Obwohl, im Moment ist es ziemlich warm. Und dann registriere ich: ich gehe! Ich schimpfe mit mir selbst und sofort geht es im Laufschritt weiter. Ich bin schon am Ufer des Sees angekommen, da kommt im enormen Tempo Bernhard von hinten, „komm die 14 Stunden knacken wir“. Ich hatte die Gesamtzeit gar nicht im Blick, aber mit ihm mithalten kann ich nicht. Er kommt noch an Elias ran, der gibt auch noch mal Gas. Ich bleibe bei meinem Tempo und höre von weitem die Kuhglocken und Siegesglückwünsche. Über einen langen Brettersteig geht es ins Ziel, ich sehe auf die Uhr, aber sie springt um.

14 Stunden und 3 Sekunden für 226 Kilometer durch die Mittsommernachtssonne Lapplands mit Gipfelbesteigung. 7 Frauen hatten sich heute an den Start gewagt, 5 werden ins Ziel kommen. Ich darf mich die Siegerin nennen und bin unglaublich dankbar, vor allem den Veranstaltern für dieses einmalige Triathlon Erlebnis und dem Wettergott für machbare Bedingungen.

Eine Helferin fragt mich, was sie mir bringen kann. Ich muss tatsächlich überlegen, ich habe keine großen Gelüste und sofort trage ich mir ein Bienchen für die erfolgreich durchgeführte Ernährung ein. Sie fragt mich, ob ich ein Bier mag. Diesen Vorschlag finde ich so unglaublich, dass ich sofort einwillige. Ich bekomme mein Finisher–Shirt, welches jedes Jahr im gleichen Design aber in anderen Farben erscheint. In diesem Jahr in blau-gelb als Hommage an die Ukraine. Statt einer Medaille gibt es ein Bild. Den ersehnten Kaffee bekomme ich auch, und schlage ordentlich bei Obst und Kartoffelchips zu. Es gibt auch riesige Sandwiches, aber da bin ich nicht so der Fan von.

Ich warte noch auf Sara im Ziel, und wir umarmen uns wie langjährige Freundinnen. Sie will in den See springen, ich will in unser Ferienhaus zum Duschen (denn die Möglichkeit gibt es leider nicht vor Ort). Ich verfolge noch übers Tracking, dass alle gut ins Ziel kommen. Wenn man 14.00 Uhr schon eine Langdistanz im Sack hat, kann man den Nachmittag noch mit Essen, Trinken, Rumliegen, Wäschewaschen und mit der Heimat kommunizieren verbringen. Ich bin überrascht, dass es mich erst gegen acht ins Bett zieht. Nach acht Stunden Schlaf, also vier Uhr nachts, bin ich wieder hellwach. Ich staune nicht schlecht, als ich schon die ersten Fotos vom Wettkampf veröffentlicht sehe. Irgendwann schlafe ich noch mal ein und bin so am Sonntag wieder im normalen Tag-Nacht-Rhythmus.

Die Siegerehrung

Mittags findet die Siegerehrung statt. Schön noch mal die Athleten und viele der Helfer (es waren insgesamt 73) wiederzusehen. Die drei Erstplatzierten Herren haben unglaubliche Leistungen hingelegt, sie sind alle schon zum wiederholten Male bei dem Rennen gestartet und wohnen teilweise hier. In Lappland lebende Langdistanztriathleten müssen von ganz besonderem Schlag sein, denn Ende Mai liegt hier noch Schnee und der See ist noch zugefroren! Als Siegerpreis bekomme ich es ein samisches Messer.

Bei dem Triathlon gibt es außerdem noch den Preis für die schnellste Wechselzeit. Bei den sehr kalten Rennen kommen da schon mal Zeiten von über einer halben Stunde und mehr zusammen. Da es auch hier eine Damenwertung gibt, erhalte ich endlich auch mal einen Preis in der Disziplin, die ich schon immer gut beherrsche. Es gibt eine Mütze und Halstuch vom durchführenden Sportverein „Gällivare Endurance Club“. Anschließend werden unter den Teilnehmer und Helfern noch einige Preise verlost. Daniel freut sich lauthals, dass er eine Tasse als Erinnerung mitnehmen kann. Dann gibt es noch ein Mittagessen (ebenfalls im Startgeld enthalten), so hat man noch etwas Zeit mit den Athleten zu plaudern.

Fazit

Mein Fazit zu diesem Rennen: Grandios! Die Wetterkomponente ist ein Risiko, das jeder mit sich selbst ausmachen muss. Der Kampf durch die Nacht ist hart, aber eine einmalige Erfahrung. Ansonsten bekommt man einen perfekt organisierten Wettkampf: traumhafte Strecke, gut markiert, nur eine Rad- und nur eine Laufrunde (also 222 km neue Ausblicke), Streckenlänge sehr genau (wenn man die ca. 300 m Laufstrecke beim Landgang des Schwimmens in Kauf nimmt. Die Radstrecke musste kurzfristig wegen einer Baustelle angepasst werden, wurde aber genau wieder auf 180 km gelegt), Versorgungsstationen mit Standort und Angebot exakt wie angekündigt oder mit erweitertem Angebot, hervorragende Zielverpflegung. Darüber viele kleine zusätzliche Annehmlichkeiten, wie Mittagessen bei Startnummernausgabe und Siegerehrung, Preisverlosung und das kostenlose zur Verfügung stellen von Fotos von der Strecke.

Ob ich dieses Rennen noch mal wiederholen werde, will ich nicht ausschließen. Aber eins bin ich mir sicher: es wird nicht mein letzter Abenteuertriathlon gewesen sein und ganz sicher werde ich weiter Ausschau nach Langdistanztriathlons abseits der großen Rennen halten.

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